Windenergieanlagen an der Thur

Stellungnahme des Natur- und Vogelschutzverein Altikon zu Windenergieanlagen in Altikon und Thalheim

Wir lehnen die Erstellung von Windenergieanlagen WEA auf dem Gemeindegebiet von Altikon und Thalheim ab. Es sind massive Störungen der vielfältigen Lebensräume mit Rote Liste Arten und prioritär geschützten Vogelarten entlang der renaturierten Thur zu erwarten, insbesondere auch kritische Auswirkungen auf die windkraftsensiblen Rotmilane, für welche die Schweiz eine internationale Verantwortung trägt. Mehrere traditionelle Schlafplätze mit > 100 Rotmilane liegen im Einzugsgebiet der Potentialgebiete 11 und 13. Die Thur ist ökologische Infrastruktur für unzählige Tierarten und Leitstruktur für den Vogelzug und grossflächig vernetztes Fledermaushabitat.

Auch der Natur- und Vogelschutzverein befürwortet den Ausbau erneuerbarer Energien und trägt die offiziellen Statements zur Windenergie unserer Dachverbände Birdlife Zürich und Schweiz mit. Priorität hat der Ausbau der Sonnenenergie auf bestehender Infrastruktur. Vor dem Ausbau hat das Ausschöpfen des Energiesparpotentials Vorrang. Gebiete mit hohen Natur- und Landschaftswerten sollen geschont werden. Im laufenden Prozess muss eine frühzeitige und sorgfältige Klärung der Naturwerte und insbesondere der seltenen und gefährdeten Artvorkommen in den Potenzialgebieten durchgeführt werden.

1. Schutzgebiete
Mit der 2002 abgeschlossenen Renaturierung wurde das Schäffäuli TG als nationales Auenschutzgebiet ausgeschieden. Sowohl in Altikon als auch in Thalheim reihen sich kantonale Schutzgebiete entlang des Flusses: renaturierte Altarme, Schilfgebieten und Giessen. Weitere, sowohl kantonale als auch nationale Aufwertungen sind projektiert (Kantonaler Richtplan ZH, Beschluss vom 6.2.2023).

Für den Vogelschutz empfiehlt die Vogelwarte Sempach, Naturschutzgebiete inkl. Pufferzonen freizuhalten von Windenergieanlagen. Der Abstand soll die 10-facher Anlagehöhe betragen (Leitfaden Vogelwarte WEA Seite 7), mindestens aber 1200m. Dies wird für alle kommunalen, kantonalen und nationalen Schutzgebiete gefordert, ebenso für Landschaftsschutzgebiete mit windkraftsensiblen Vogelarten und für Gebiete mit Vogelarten der Roten Liste und Prioritätsarten (Flussregenpfeifer in Altikon/Thalheim).
Auch vom Naturdenkmal Schlattwaldeiche (255-jährige Eiche im Schlattwald «Symbol des nachhaltigen Umgangs mit dem Wald») sollte der Mindestabstand eingehalten werden.

2. Vogelzug
Die Thurebene zw. Frauenfeld und Andelfingen liegt seit je her auf einer uralten Zugvogelstrecke am bis vor 150 Jahren noch mäandrierenden Fluss. Die ausgedehnten Sumpfgebiete waren futterreiche Rastplätze für den Vogelzug. Die Thur wurde begradigt, das Kulturland immer intensiver bewirtschaftet, aber die alten Zugwege sind geblieben. Der Greifvogelzug nutzt die Aufwinde an den steilen Rebhängen entlang des Iselisbergs, ebenso Störche und Kraniche (Beobachtungen F. Meyer und Silvio Bartholdi www.ornitho.ch)

3. Fledermäuse
Über den Wipfeln der Wälder nahe dem Gewässerraum der Thur jagen im April/Mai grössere Fledermausschwärme (kl. und grosse Abendsegler), so auch über dem Schlattwald und Gillwald. John Wilhelm: Fledermausmonitoring Feldisteg 2012 – 2021 --> Info Fledermausschutz Kanton ZH Lea Morf Silvio Bartholdi Filmdokument Grosse Abendsegler zu hunderten jagend an der Thur unterhalb Feldisteg

4. Rotmilane
Rotmilane sind im Thurtal ganzjährig anwesend: als Brutvögel und Gastvögel im Winter. Ihre Brutplätze sind an den Waldrändern nicht selten nur 100-200m auseinander. Die Thurebene auf 380m Höhe ist wie das benachbarte Seebachtal meist schneefrei und wird intensiv bewirtschaftet. Die Feldarbeiten von Jan. bis Dez. erschliessen für den Segelflieger immer wieder neue Futterquellen. 60-70 Rotmilane auf einem bearbeiteten Feld, die den Traktor begleiten, sind auch während der Brutzeit normal. Die Zuckerrübenernte und der Abtransport ist IdR erst um den 25.12. beendet, die Schlafplätze im Winter deshalb gut besucht. 200 Vögel sind keine Seltenheit. Der Pappelstreifen in Feldi ist oft «Drehscheibe» der überwinternden Rotmilane: Sammelplatz ab Mitte Nachmittag, Verteilung in alle Himmelsrichtungen kurz vor Eindunkeln. Je nach Witterung werden auch kleinere Teilschlafplätzen in Kefikon, Burghof und Gütighausen (Beobachtungen F. Meyer, S. Bartholdi) aufgesucht.
Für Rotmilanschlafplätze mit > 100 Vögeln werden Mindestabstände von 5km gefordert, für Schlafplätze <100 Vögel Radius 3km (Leitfaden Vogelwarte WEA Seite 25).

Schlussfolgerung:
Die Schlafplätze in Altikon (Feldi und Töbeli) lassen bei einem Radius von 5km weder Anlagen im Schlattwald (Potentialgebiet Nr. 11), noch im Rickenbacher Oberholz (Potentialgebiet Nr. 13) zu. Ebenso sind die Potentialgebiete 10, 12 und 14 im Interessenskonflikt mit Schlafplätzen >100 Rotmilane.
Altikon, 15.5.2023

Für den Vorstand Natur- und Vogelschutzverein Altikon
Präsidentin: Friederike Meyer
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Links / Grundlagen
- Leitfaden Vogelwarte «Vögel und Windkraft: Untersuchung und Bewertung von UVP-pflichtigen Windkraftprojekten»
- Merkblatt Windenergie Birdlife Schweiz
- Thurbericht 2014 Natur- und Vogelschutzverein Altikon «Aufwertungs- und Pflegemassnahmen an der Thur auf dem Gemeindegebiet Altikon/Thalheim« von Silvio Bartholdi natur4ort.ch/berichte/flussregenpfeifer.html Eigene Beobachtungen während 20 Jahren Flussregenpfeiferschutz Schäffäuli Altikon/Neunforn
- Rotmilan Schlafplatzzählungen Adrian Aebischer Nov. 2009 - Jan. 2023
- schlattwaldeiche.ch/schlattwaldeiche/index.php/home/lageplan

Download
- Schlafplatzkarte mit Schutzgebieten (CH Rotmilanzählung Nov 22 / Jan 23)
- Stellungnahme als pdf

Kopie an
- Birdlife Zürich
- Gemeinderat Altikon
- Gemeinderat Thalheim