Flussregenpfeifer 2015


Alles im Fluss
Bericht zur Flussregenpfeifersaison 2015
an der Thur Altikon ZH / Neunforn TG

Die Dynamik der Veränderungen an unserem Flussabschnitt ist atemberaubend !
Jedes neue Hochwasser gestaltet das Flussbett um und verändert den Auenwald, neue Kiesbänke entstehen oder wandern flussabwärts, die Rückläufe mit Stillwasserzonen und Uferabrissen bieten ständig neuen wertvollen Lebensraum für die an diese Extremstandorte angepassten Pionierarten.

Auch „unsere“ Flussregenpfeifer finden bei ihrer Rückkehr jedes Jahr neue Verhältnisse vor. Im schon über 10 Jahre dauernden Beobachtungs-zeitraum konnten wir immer wieder feststellen, dass zuerst die alten, höher gelegenen Kiesbänke besetzt werden: die Hochwassersicherheit scheint bei erfahrenen Altvögeln ein sehr wichtiges Kriterium zu sein bei der Standortwahl des Geleges. Die Vögel brauchen zwar freie Rundumsicht von ihrem Gelege, eine spärliche Vegetation stört aber nicht. Konkurrenten werden keine geduldet.
Vom Brutverhalten her sind es Erstbrüter, die mit den flachen neuen Kiesinseln, die z.T schon bei 100 - 200 m2 überschwemmt werden, Vorlieb nehmen müssen. Je weniger sich ein brütender Vogel vom Gelege weg bewegt, desto unsichtbarer wird er für die Umgebung, desto sicherer ist am Ende der Bruterfolg. Deshalb haben sich Absperrungen in der individuellen Fluchtdistanz des Vogels bewährt.
Auch grösseren Menschengruppen konnten wir so wiederholt den unbeirrt brütenden Vogel zeigen .

Flussregenpfeifer 2015:
4 Brutpaare und trotz Jahrhundertsommer nur 2 flügge Jungvögel

Hochwasser am 4. Januar 2015 (740m2, s. Foto ) und am 2. März 2015 (510 m2) gestalteten den Flussmäander stark um und putzten die nicht verholzte Vegetation der älteren Kiesbänke weg.

Ende März kehrten die ersten Flussregenpfeifer zurück, bis im Mai total 4 Paare. Am 11. April sperrten wir auf den beiden bisherigen Kiesbänken ZH und TG die Brutplätze ab, auf der neu entstandenen Kiesbank TG begnügten wir uns mit einem Querband beim oberen Zugang zur Insel und einzelnen Infotafeln in der Nähe des Geleges.

Durch mehrere kleinere Hochwasser Ende April und Anfang Mai (270m2 bis 370m2) gingen aber alle Erstgelege verloren. Dabei wurden auch Eisvogel-brutröhren in der grossen Kurve überschwemmt. teils brachen die Wände ein.

Von den Zweitgelegen (3x TG, 1x ZH) war nur unser Vorzeige-ZH-Paar erfolgreich, da zum Glück auch bei den 400m2 vom 23. Juni noch ein „Eiland“ aus dem Wasser ragte: 2 von 4 geschlüpften Pullis wurden ein paar Tage später flügge.

Trotz Hitzesommer frühzeitiges Ende der Flussregenpfeifersaison : nicht nur die Vögel gaben vorzeitig auf, auch wir gaben Forfait

Eine Woche nach dem letzten Juni-Hochwasser waren 3 TG Paare am Balzen und bereits am Scheinnisten (die Männchen „drehen“ Nistmulden und suchen duch Probesitzen den idealen Standort) - ungestörte Brutplätze aber gab es nirgends mehr.

Mit der Hitze kam Klein-Rimini an die Thur… so früh wie noch nie vorher verliessen alle adulten Flussregenpfeifer Mitte Juli das Gebiet, nur die zwei Jungvögel blieben bis Ende August. Dass es die Menschen bei der Hitzewelle 2015 mit Kind, Kegel und Hunden ans Wasser zog, ist mehr als verständlich – aufzuhalten war diese Art der Überschwemmung nicht mehr!


Ziel 2016: Besucherlenkung - wenigstens zur Brutzeit – muss im Lebensraum Schäffäuli frühzeitig wirkungsvoll organisiert werden.

Schäffäuli – Nationales TG Auenschutzgebiet

Die Kantonsgrenze TG/ZH verläuft in der Mitte des ehemals begradigten Flusses… mittlerweile sind die Grenzen ziemlich „im Fluss“. Wer auf Zürcher Seite die Fuchsbrücke-Kiesbank betritt, bewegt sich nach wenigen Metern im Kanton Thurgau - und dort ist der Flussmäander Teil des nationalen Auenschutzgebietes.
In nur kurzer Zeit sind für die Natur besonders wertvolle Rückläufe mit Stillwassern entstanden, die aber häufig auch als Brötel-, Bade- und Tummelplatz für Hunde benutzt werden.

Im Auenschutzgebiet ist neben dem Laufenlassen von Hunden, dem Feuern, Lagern und Campieren auch die Störung von wildlebender Tiere untersagt. Temporäre Betretungsverbote während der Brut- und Setzzeit wären sinnvoll.

Neben den Flussregenpfeifern brüten mehrere Eisvogel- und Gänsesägerpaare im grossen Mäander und umliegenden Auenwald. Flussuferläufer halten sich ganzjährig hier auf – Potential auf Thurgauer Seite für ihn als Brutvogel wäre vorhanden. Grauspecht, Kuckuck, Pirol, Baumfalke, Kleinspecht, Mittelspecht, Sumpfrohrsänger, Gartengrasmücken – die Liste der seltenen Brutvögel beidseits des Flusses ist lang.

Eine zwischen Altikerbrücke und Gütighausen für alle Thurbesucher gut kommunizierte, interkantonal koordinierte Besucherlenkung wäre in diesem ganzen Gebiet nach wie vor dringend, auch bezüglich endgültiger Ausarbeitung des kantonalen Richtplanes ZH.

Wir setzen auf einen neuen Anlauf dazu und wünschen allen ein gutes neues Jahr - beidseits des Flusses und dort, wo alles im Fluss ist!

Fide Meyer, Silvio Bartholdi (www.natur4ort.ch)

 

Nachtrag
Urs Spychiger vielen Dank bei der Umsetzung des alternierenden Mähregimes am ZH –Damm zugunsten der lokalen Wiesenfauna, zugunsten von Randsaumbrütern und zugunsten einer passiven Besucherlenkung durch breitere Säume am Fluss beim ersten Schnitt.

Der Bericht kann als pdf heruntergeladen werden.


Ausführliche Informationen sind in unserem Bericht "Aufwertungs- und Pflegemassnahmen Thur" zuhanden von Gemeinden, Kantone und betroffenen Ämtern nachzulesen (10MB).